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Projekt Spaceflight

Projekt Spaceflight

Am Rande des Weltraums; Geschichte von A bis Z

Geschrieben von Nick Koeverden am Dienstag, 13. August 2019

Ein Montagmorgen im Juni. Die Schüler1 versammeln sich in ihren Räumen, allerdings nicht, um mathematische Formeln auswendig zu lernen, sich zu wundern, wie der Autor des neuen Buches in Deutsch jede Szenerie mit brillanten Metaphern und anderen zu analysierenden Stilmitteln übersät hat, wie es die Lehrerin vor Begeisterung regelrecht übersprudelnd zumindest behauptet, oder gar die Hausaufgaben heimlichst mit dem Sitznachbarn zu vergleichen.

Von diesem ganzen montagmorgendlichen Chaos bleiben Schüler und Lehrer verschont, denn es ist Projektwoche. Obwohl man seine Wahl selbst getroffen hat, weiß man doch nicht, was einen jetzt erwartet, was hinter diesem gewählten Versprechen steht. Das Versprechen, welches wir gewählt haben: Innerhalb dieser Woche einen Wetterballon zu starten und ihn hoffentlich auch wieder zu finden. Wir wurden mit einem freundlichen Lächeln vom Lehrer begrüßt, der uns nach kurzer Einleitung in das Thema den Zeitplan für diese Woche nahebringt.

Montag galt es demnach, sich in Gruppen einzuteilen und an der jeweiligen Aufgabe zu arbeiten. Hierzu zählen die Gruppe, die sich mit dem Bau der Sonde, bestehend aus einer Styropor-Box, Stabilisationsflügeln, einem Fallschirm und natürlich dem Ballon befasste. Das zweite Team war für den Start verantwortlich und hatte unter anderem zu berechnen, mit wieviel Helium die Sonde befüllt werden muss, um die Höhe (y) zu erreichen und nach einer bestimmten Zeit (x) wieder den Boden zu erreichen. Eine weitere Aufgabe der Start-Gruppe bestand darin, Simulationen des Flugwegs zu analysieren. Außerdem befassten sich mehrere Gruppen mit der Technik an Bord der Sonde wie der Kamera, den GPS Sendern und diverser Sensoren zur Messung der Höhe, Fluggeschwindigkeit etc. Eine weitere Gruppe dokumentierte und filmte alles von Aufbau über Start bis zum Landeplatz. Am Montag lief alles wie geplant, bis auf die GPS Sender, die für ihre Funktion deutlich zu wenig sendeten, nämlich gar nicht.

Am Dienstag mussten dann alle Aufgaben beendet werden, denn am Mittwoch sollte die Sonde bereits neue Höhen erklimmen. Die GPS Sender ignorierten allerdings weiterhin sturköpfig alle noch so klaren Befehle. Nach viel Schweiß und vor allem Getippe gelang es schließlich, einen der beiden zum Gehorchen zu bringen, wobei das verständlicher Weise immer noch fraglich war. Ehe wir uns versahen, war es bereits Mittwoch und die Nerven lagen blank. Jetzt ging es um Alles. Treffpunkt war ausnahmsweise das Niels-Stensen-Gymnasium in Harburg, da durch Flugzonen und Helikopter-Landeplätze sämtliche Startplätze in der Nähe unserer Schule gesperrt waren. Die Sonde wurde auf dem Schulhof unter hunderten gespannten Augenpaaren zusammengesetzt. Der Start musste allerdings ein wenig verzögert werden, als plötzlich die Pausenglocke ertönte und eine Flut aus energieüberladenen Kindern und Jugendlichen den Schulhof überschwemmte. Nach dieser erzwungenen Pause konnten wir den Ballon mit der berechneten Menge Helium befüllen und uns bereit für den Start machen. Letztes Check-up. Sitzt alles? Laufen die Sensoren und die Kamera? Ja, Sonde ist startklar. Als sich eine relativ windstille Gelegenheit ergab, wurde sofort von 10 heruntergezählt und bei 0 unter tosendem Applaus die Wetter-Sonde losgelassen. Um Haaresbreite schliff sie fast das Gymnasium, doch nach kurzem Schock erholte sie sich und stieg stetig auf. Es war geschafft. Doch ein alarmierender Gedanke folgte unwillkürlich. Was hätte all das gebracht, würden wir die Sonde jetzt nicht wiederfinden?

Schnell stürmten alle die Autos. Der Treffpunkt stand dank der Simulationen bereits fest, ein kleines Café in Loop, nähe Neumünster. Nun hieß es warten und nicht wenig, denn nach dreieinhalb Stunden Karten spielen, sich unterhalten und Kuchen essen kam immer noch keine Meldung von dem einsamen GPS Sender. Enttäuschte Blicke. Der Sensor hat wohl doch nicht funktioniert. Ist die Sonde vielleicht einfach in einem Teich oder noch simpler einem Funkloch gelandet? Denn unser GPS Sender funktioniert nur übers Telefon-Netz. Die Sachen wurden zusammengepackt. Kann passieren.

Ein Handy klingelt. Nicht nur irgendein Handy klingelt. Der GPS Tracker sendet! So laut war es in Loop wahrscheinlich noch nie und wenn mal jemand so schnell im Hundert-Meter-Lauf wäre, wie jetzt am Auto, dann wäre das wohl Rekord. Auf der Fahrt kleben die Augen am Handy, doch der Sender enttäuscht nicht noch einmal. Die Kolonne hält schließlich vor einem Privatgrundstück. Ein Mann nähert sich. Leicht verwirrt fragt er, ob wir denn auch richtig sind, bittet uns aber höflich, ihm zu folgen, nachdem wir die Lage geschildert haben. Vorbei an Border Collie-Welpen, die er, wie er uns erzählt, selbst züchtet. Vorbei an Schafen, die gerade frisch frisiert werden. Und da liegt sie. Unsere Sonde. Gerade noch fast im Weltraum, jetzt im frischen Gras von Loop. Doch bevor sie inspiziert werden darf, noch ein schnelles Erinnerungsfoto. (siehe oben rechts)

Alle Daten werden überprüft, doch die Kamera hat leider nur das Hineinsetzen und Herausnehmen gefilmt, nicht aber den ganzen Flug. Das war ja bei so einem Tag auch wieder klar. Auf der Rückfahrt werden wir zu allem Überfluss von einem heftigen Sturm überrascht, der aber durch die Stimme Bob Marleys in Exodus all seine Kraft verliert und wir in unserem Auto über die Autobahn hinweg gleiten.

Am Donnerstag ging es an die Auswertung, wobei sich das Kamera Team überlegen konnte, wie es jetzt ein Video ohne die Bilder aus der Sonde produziert. Der Rest ist schnell erzählt. Der letzte Tag dieser Woche, die eher einer Achterbahn glich, wurde der Präsentation aller Projekte gewidmet. Eines der erholsamsten Wochenenden stand bevor, denn man hatte ja auch alles Recht, stolz zu sein und sich auszuruhen.


1. Ich werde in diesem Text auf Doppelnennung (Schüler/-Schülerin) verzichten, um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen, ohne hierbei eine Menschengruppe ausschließen zu wollen.
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